• Perlen der Trivialliteratur
    Komet der Leidenschaft
  • Komet der Leidenschaft

    Der gelebte gelesene Trivialroman

    Die Lübecker Nachrichten schrieben seinerzeit zu unserer Reihe „Perlen der Trivialliteratur“: „Ein Abend mit Goldrand. Nonsens der allerfeinsten Sorte - und man kann sich auf den nächsten Heftchenroman im Combinale nur freuen. In einer Mischung aus Improvisation, Inszenierung und szenischer Lesung, musikalisch live ausgestaltet bietet das Ensemble eine hinreißend witzige Show, die es in dieser Form wohl nur im Combinale gibt.“

    In der aktuellsten Heftbearbeitung nimmt sich Wolfgang Benninghoven als alter weißer Mann einer weiteren ‚Perle‘ an: des lustvollen Groschenromans, des ‚leidenschaftlichen Liebesromans‘! Er nimmt ihn ernst, dampft seinen Inhalt zu einem schwül-erotischen Kondensat zusammen, das sich selbst ironisch entlarvt, wenn es nur so von rosigen Knospen, Muskeln mit Schweißfilm, klopfenden Herzen und „viel zu heißen Küssen“ wimmelt: Ist es Liebe oder der Einfluss ‚sündiger‘ Sterne, dass Angie diesem rätselhaften Mann erliegen wird? Nie brannte das Verlangen nach Liebe heißer in Angie als in dem Moment ihrer Begegnung mit Mafioso Ethan Zorn. Sein Duft, seine Nähe, seine Berührungen… Jeder Nerv in ihr will nichts anderes, als die rasende Leidenschaft in seinen Armen zu spüren. Und sie wird diesen herrlichen Mann lieben, bis der Komet am Himmel verglüht…

    Soviel sei vorweggenommen: Die drei Schauspieler:innen  machen alles richtig (siehe: #MeToo, #CancelCulture), wechseln geschmeidig die Geschlechterrollen, werden zum ‚Indianer‘ (#redfacing, #cultural appropriation), fallen aber auch immer mal wieder aus der Rolle ins Private und stellen sich der Challenge, Unsagbares und Unsägliches ansprechend darzustellen.


    Regie & Text:
    Wolfgang Benninghoven
    Schauspiel:
    Andrea Gerhard, Wolfgang Benninghoven und Rodolphe Bonnin
    Musik:
    Thomas Goralczyk

    Pressestimmen

    Absurde Erotik im Theater Combinale

    Das „Combinale” eröffnete seine Saison mit dem Erotik-Groschenroman „Komet der Leidenschaft”

    Lübecker Nachrichten, 
    Friederike Grabitz 4. September 2022

    Angie, Rosi und Vicky sitzen unterm Sternenhimmel und geben sich ihren Mädchenträumen hin. „Die Leute verhalten sich halt immer komisch, wenn Bob auftaucht“, sagt Angie. Bob ist ein Komet, der alle fünfzehn Jahre erscheint und vorübergehend sexuelle Fantasien auslöst. Er schnurrt an einem Stahlseil über die Bühne des Theaters „Combinale“, wenn Pianist Thomas Goralczyk ihn mit einem Seil zieht. Angie ist eigentlich eine erwachsene Frau, Rosi und Vicky sind zwei Männer mit längst ergrauten Schläfen, die ihren Text aus einem Groschenroman ablesen.

    Es ist wieder Trivialliteratur-Zeit im „Combinale“, als am Freitag hier „Komet der Leidenschaft“ Premiere feiert. Seit zwanzig Jahren adaptiert Theatergründer Wolfgang Benninghoven Arztromane oder 50er-Jahre-Romanzen, angefangen mit Kultur-Pastor Bernd Schwarze als Jerry Cotton. Nun wagte er sich zum ersten Mal an einen Erotik-Roman. „Es ist eine szenische Lesung mit Musik und hohem Improvisations-Anteil”, beschreibt Theaterleiterin Sigrid Dettlof das Format.

    Das Vierer-Ensemble entfremdet mit dramaturgischen Mitteln die Geschichte so sehr, dass sie vor allem witzig ist. Es spielt mit erzählerischen Stereotypen und expliziten Sexszenen. Die Kriminalreporterin Angie stellt einem Mafiosi nach, eigentlich nur aus beruflichem Interesse, aber als er sie in seiner Wohnung erwischt, weiß sie nicht mehr so recht weiter. Die spärlich bekleidete Blondine Vicky, gespielt von Benninghoven selbst, lässt sich währenddessen von dem knackigen Truck-Fahrer John alias Andrea Gerhard verführen. Das Spiel mit vertauschten Geschlechtern hebt Gender-Stereotype ironisch auf. Als es dann in der Navajo-Reservation vorm Tipi zur Sache geht (Kommentar der Schauspielerin: „Die Navajo hatten doch gar keine Tipis, oder?”), übersetzt ein Gebärden-Dolmetscher die blumige Sprache des Trivialromans Wort für Wort. Das ist absurdes Theater in Reinform.

    Damit hat das Ensemble das Publikum auf seiner Seite. Die Leiterin der Lübecker „Taschenoper”, Margrit Dürr, hat die Inszenierung jedenfalls überzeugt. „Es ist nicht so leicht, Erotik auf die Bühne zu bringen, ohne dass es peinlich wird. Das ist auf jeden Fall gelungen”, sagt sie am Premierenabend. Regisseur Benninghoven ist es wichtig, die literarische Vorlage ernst zu nehmen. „Sie zu schreiben, ist eine Kunst”, sagt er. Gleichzeitig lese sich der Roman der „Baccara”-Reihe aus den 90er Jahren heute anders als damals, er habe darin „viel Zeitkolorit“ entdeckt. „Heute haben wir Diskussionen um Gender-Zuschreibung, kulturelle Aneignung und Identität”, sagte Benninghoven. Das füge der Geschichte eine neue Dimension hinzu.

    Mit modernen Deutungen auf der Bühne geht der Bühnenautor, der einmal Psychologie studiert hat, allerdings vorsichtig um, er will den Stoff nicht intellektuell überladen. Er beschränkt sich auf Andeutungen wie beispielsweise eine Nschotschi-Perücke mit schwarzen Zöpfen, die als Zitat auf die aktuelle Winnetou-Diskussion auf der Bühne liegt, aber nie angezogen wird. „Man kann dahinter viel entdecken.” Das soll aber nicht davon ablenken, sagt er, dass der „Komet der Leidenschaft” vor allem Spaß machen solle.

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    Bob, ein Komet der Leidenschaft – urkomisch und intelligent inszeniert 

    Karin Lubowski in den Lübeckischen Blättern vom 17.9.2022 

    Man stelle sich vor: Ein Komet namens „Bob“, der alle 15 Jahre erscheint und die Gefühlsleben der Menschen in Wallung bringt. Nonsens? Wahrscheinlich. Und doch ... 

    „Komet der Leidenschaft“ heißt das neue Stück von Wolfgang Benninghoven, das im Theater Combinale zu sehen ist. Es reiht sich ein in die berühmten „Perlen der Trivialliteratur“. Erneut führt der Autor auch Regie und ist zusammen mit Andrea Gerhard, Rodolphe Bonnin und Thomas Goralczyk (Musik) auf der Bühne präsent. Dort wird ein Feuerwerk aus Inszenierung, szenischer Lesung, Improvisation und Schauspiel gezündet: urkomisch und intelligent. 

    Für den Unterhaltungswert ist es eigentlich ein Dolchstoß, das Funktionieren von Komik zu erklären. Was indessen im Combinale geschieht, ist ein kleines Mirakel, denn obwohl die Inszenierung den erotischen Roman seziert, analysiert und entlarvt, bleibt sie auf hohem Niveau komisch. Auf hohem Niveau insbesondere deshalb, weil sie amüsiert, aber nicht hochnäsig auf die Perlen der Trivialliteratur blickt. Der Groschenroman liegt wie unter dem Mikroskop. 15-jährige Mädchen, die sich die Zukunft träumen; und weil „Bob“ gerade seine Bahn zieht, wird die entsprechend aufregend, jedenfalls für Angie, die 15 Jahre später und wieder unter „Bob“-Einfluss im Schlafzimmer eines vermeintlichen Mafioso recherchiert, von diesem erwischt wird und prompt in Leidenschaft zu ihm erglüht. Und dann gibt es da auch die Lady mit der Autopanne, die sich ratlos und tief über den Motorblock beugt, als Hilfe in Gestalt des gut gebauten Angehörigen eines indigenen Volkes naht. „Bob“ naht und es gibt heiße Küsse, rasende Herzen, tastende Finger auf nackten Schenkeln, tiefe Seufzer. Und Sex. Der findet als Schattenspiel hinter einem Paravent statt und gerät zu einem der darstellerischen Höhepunkte des Abends. 

    Benninghoven, Gerhard und Bonnin wechseln immer wieder die Rollen, auch die der Geschlechter. Letzteres ist eine komödiantische Bank, die die Darstellenden mit sicherem Gespür für guten Geschmack und Political Correctness zu nutzen wissen. Und die Bühne? Die braucht nicht viel mehr als ein leuchtend orangefarbenes Sofa, auf dem sich die Leidenschaft lümmelt. Und natürlich den Kometen „Bob“, der, gezogen von Thomas Goralczyk, seine Bahn über dem erotischen Surrogat zieht. Es ist ein großer Spaß. 

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