• Verwirrter Geist
    Du bist meine Mutter
  • Du bist meine Mutter

    Die kindlich gewordene Mutter, das alt gewordene Kind

    Er, der Sohn, besucht jeden Sonntag seine Mutter im Pflegeheim. Er hilft seiner Mutter beim Anziehen, er füttert sie mit Pudding und er unterhält sich mit ihr über die immer gleichen Dinge: dass Tante Ursel Tabletten bekommen hat und sie nicht. Dass wildfremde Leute zu Besuch kommen und so tun, als würde man sich kennen.Das Besondere und Reizvolle an diesem Dialog für einen Schauspieler ist, dass er sich selbst und die Mutter spielt, in feinen, sensiblen Brüchen und mit großer Liebe und Ehrfurcht vor der Frau, die am Ende ihres Lebens nur noch von Begegnung zu Begegnung lebt und in ihrem Sohn den Halt für ihren verwirrten Geist sucht. Und dann wird der allwöchentliche Spaziergang hinaus in den Garten für sie zu einer abenteuerlichen Expedition. Die Wunder der Welt: „Alles ist so schön“, sagt sie, staunend. Die kindlich gewordene Mutter, das alt gewordene Kind – längst haben die beiden die Rollen getauscht. Die letzten Schritte in die Welt, das zeigt das Stück, haben den Zauber der ersten.


    Joop Admiraals Stück, ausgezeichnet mit dem Prix Loui-d’Or und dem Adolf-Grimme-Preis, ist eine packende, autobiografische Auseinandersetzung eines Schauspielers mit seiner Mutter. Es handelt von Abhängigkeit, von Kinderliebe und von Auflehnung, vom schwierigen Leben und vom langwierigen Sterben. Es ist ein berührendes und poetisches Stück, voller behutsam getupfter Ironie.
    Joop Admiraal wurde 1937 in Ophemert (Niederlande) geboren. Er arbeitete als Schauspieler an der De Nederlandse Comedie und der renommierten Avantgardebühne Het Werkteater. Für sein Stück „Du bist meine Mutter“ erhielt Admiraal den Prix Loui-d’Or und den Adolf-Grimme-Preis.


    mit Wolfgang Benninghoven
    Regie: Regina Stötzel
    Text: Joop Admiraal



    Pressestimmen

    Kindliche Alte, altes Kind

    „Du bist meine Mutter" feierte umjubelte Premiere

    Lübecker Nachrichten

    von petra haase 

    lübeck - Same procedure as every week: Jeden Sonntag besucht der Sohn seine demenzkranke Mutter im Heim. Immer wieder die gleichen Rituale - anziehen, in den Garten gehen -, immer wieder die gleichen Fragen: Wo bin ich? Wer bist du? Wo ist Tante Ursel? Voller heiterer Schwermut erzählt das Stück „Du bist meine Mutter", das am Sonnabend im Theater Combinale Premiere hatte, vom langen Abschied nehmen eines Sohnes von sei­ner Mutter. Dabei füllt Wolfgang Benninghoven beide Rollen aus. In Strumpfhose sitzt er auf einem Bett. Eine Hand ist die des Sohnes, die der Mutter hilft, den anderen Arm in die Rüschenbluse zu bugsieren oder mit dem Bein in den Rock zu steigen.
    Wie sich Benninghoven verwandelt, ist ungemein berührend und große Schauspielkunst. Man erlebt ihn zwischen routinierter Fürsorge und Verständnislosigkeit in einem Rollentausch, der nicht nur äußerlich ist: die kindliche Alte und das alte Kind. Es ist ein intensives Kammerspiel, das die komischen Momente nicht ausspart, doch nichts beschönigt. Am Ende gibt es keine Erlösung durch den Tod. „So einfach ist es nicht", sagt der Sohn, der wie Benninghoven 56 Jahre alt und Schauspieler in Lübeck ist. Das anderthalb stündige Stück (Regie: Regina Stötzel) wurde vor über 20 Jahren vom Niederländer Joop Admiral geschrieben und ist aktuell wie eh und je. Benninghoven erhielt sehr verdienten, langen Applaus und Bravos.


    DU BIST MEINE MUTTER im Theater Combinale


    Ultimo

    Heike Roebers

    Ein normaler Sonntag im Leben des Schauspielers Matti. Er besucht seine Mutter im Pflegeheim. Auf den ersten Blick nichts Weltbewegendes. Dennoch sind unter der Oberfläche die großen Themen spürbar: Liebe, Verantwortung, ungelebtes Leben, Einsamkeit. Ohne Distanz und doch mit Leichtigkeit, hin- und hergeworfen zwischen Komik und Melancholie erzählt das Stück vom Leben, Vergessen und langsamen Sterben.
    Seine beeindruckende Form gewinnt das Stück mit der Darstellung von Mutter und Sohn durch nur einen Schauspieler. Benninghoven ist in sensibler, authentischer Weise Mutter und Sohn und haucht beiden auf anrührende Weise Leben ein. Mit differenzierten Tönen verwandelt er sich, ohne einen Hauch von Peinlichkeit, von der Gebrechlichkeit einer dementen, alten Frau, hin zu dem sich nach Anerkennung sehnenden Sohn: Eine Gratwanderung der Schauspielkunst, die am Ende mit ‚Bravos‘ belohnt wurde.
    Die überzeugende Inszenierung von Regina Stötzel, die durchdachte und klare Ausstattung von Christin Botzenhard und das grandiose Spiel von Wolfgang Benninghoven geben dem Thema aber doch eine gewisse Leichtigkeit. ‚Du bist meine Mutter´ ist eben auch Schauspielkunst pur, spannendes Theater mit interessanten Charakteren in einem poetischen, liebevollen Stück, das den geistigen und körperlichen Verfall im Alter nicht schönt, aber zeigt, dass es trotzdem noch Würde, Witz und so etwas wie Glück gibt.


    Theater Combinale : Joop Admiraal „Du bist meine Mutter“

    Lübeckische Blätter

    Rudolf Höppner

    Zu einem Dialog gehören eigentlich zwei Personen, aber der niederländische Schauspieler Joop Admiraal nennt sein autobiografisches Werk „Du bist meine Mutter“ ein Stück für einen Schauspieler. Eine Doppelrolle ist gefordert, ein 56jähriger Sohn und seine 83jährige Mutter werden gleichzeitig gespielt. Durch diese Verfremdung wird eine sonst kaum erträgliche oder auch peinliche Realität zur dramatischen Literatur. Das Geschehen : Der Sohn besucht seine Mutter im Pflegeheim, wie jeden Sonntag. Sie leidet an Demenz, kann sich nicht allein anziehen. Der Weg in den Garten, das Gespräch sind immer dasselbe. Die Äußerungen der Mutter wechseln zwischen Details aus dem Langzeitgedächtniss und banalem Realitätsverlust. Die Antworten des Sohnes sind getragen von empathischer Annäherung an ihre Situation.
    Eine schwere und zugleich reizvolle Aufgabe für das Theater Combinale, die eindrucksvoll gelöst wurde von Wolfgang Benninghoven als dem Schauspieler, Regina Stoetzel als Regisseurin , unterstützt von der Ausstatterin Christin Botzenhard und Migo Eichholz, zuständig für Licht und Ton.. Das begann bereits mit der Hinführung zum Geschehen : Der Einlasses wird von Hintergrundgeräuschen aus einem Pflegeheim begleitet, der Spieler begrüßt das Publikum direkt, und die Exposition besteht aus einem fast wortlosen Ablauf: ein Spiel mit der Einrichtung , der Beginn einer Haushaltsauflösung.
    Die Bühne ist ein freier Raum , in dem reale Gegenstände stehen, die passend verfremdet ihre Funktion während des Verlaufs ändern, wenn z.B. das Bett als Parkbank benutzt wird. Das synchrone Spiel von Mutter und Sohn ist die attraktive Herausforderung für den Darsteller, die das Stück trägt. Da ist einmal der schnelle Wechsel der unterschiedlichen Sprechweisen von Mutter und Sohn – hier zeigt Wolfgang Benninghoven, dass er leise Töne differenziert beherrscht -, da ist der gegensätzliche Gesichtsausdruck und besonders wirkungsvoll die doppelte Körpersprache , die so variiert und intensiv von der Regisseurin erarbeitet und vom Darsteller umgesetzt wird, dass die innere Spannung die fast eineinhalb Stunden gehalten wird : wenn er als Sohn mit den Armen den ungelenken Beinen der gleichzeitig gespielten Mutter die Strumpfhose überzieht. Die zunehmende Identifikation der beiden Figuren wird besonders deutlich, wenn Wolfgang Benninghoven als Mutter den mitgebrachten Pudding hält und als Sohn sich damit selber füttert. Ein mitfühlender Humor fernab alles Lächerlichen wird spürbar. Das gilt auch für die Sprache des Stücks , in der Joop Admiraal offensichtlich die gelegentlich unfreiwillige Ironie in den Ausdrücken der Mutter der eigenen Realität entnommen hat. Die Kleidung hat eine wichtige Funktion , symbolisiert die schrittweise Annäherung des Sohnes an die Mutter, wenn er die einzelnen Teile anzieht. Die passende Auswahl durch Christin Botzenhard lässt dabei den Comedy-Gag des ’Mannes in Frauenkleidern’ nicht einmal ansatzweise aufkommen.
    „Du bist meine Mutter“ ist ein modernes, inhaltlich hochaktuelles Stück von preisgekrönter literarischer Qualität . Das Premierenpublikum war von der Aufführung im Theater Combinale sehr beeindruckt, blieb zum Schluss einige Minuten still, bevor es sich mit starkem und berechtigtem Beifall bedankte.


     

     

     

     

     

     


    Anonymer Tagebucheintrag, ein früher Blog!

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