Narzissenweg 3
Eine feindliche Übernahme
Ein Stück von Ulli Haussmann
Vordergründig ist Narzissenweg 3 die Adresse der Gartenlaube, in der Herbert seit Jahren nicht ganz legal wohnt und immer mehr Schrullen entwickelt.
Auf den zweiten Blick erweist sich die Narzisse als symbolträchtige Pflanze, deren mythologischer Namensgeber eitel seine Neurosen pflegt. So auch Herbert? Oder eher Brinja und Leon?
Die beiden sind Kinder ihrer Zeit: Generation Z. Ihnen ist bewusst, dass die Welt am Abgrund steht, aber sie zu retten, ist wohl doch ein bisschen viel verlangt. Sie bringen sich lieber vor dieser Welt in Sicherheit... in Herberts Laube. Dass der Alte sich aus seiner Hütte nicht vertreiben lässt, passt nicht in ihren Plan.
Brinja arbeitet sich an Herbert ab, als sei der für ihre Wut verantwortlich und Leon versteht Herberts Lebensweisheiten gründlich falsch und lässt sich zu einer gewaltigen Dummheit verleiten. Aber der alte Kauz hat eine Eigenart, die die beiden in ihrem jungen Leben noch nicht kennengelernt haben: Er hört zu. So gelingt am Ende ein erstaunlicher Perspektivwechsel, der zwar keine sofortige Lösung bringt, aber immerhin einen optimistischen Ausblick.
Das neue Stück von Ulli Haussmann lässt sich als Dialog der Generationen verstehen. Dass sie miteinander ins Gespräche kommen, steht für den Autor fest. Die Frage ist nur wie?
Auch das Ensemble ist natürlich generationenübergreifend. Neu am Combinale ist die junge Regisseurin Joanna Nowinski. Sie debütierte am Schauspielhaus Kiel und hat zuletzt an der Landesbühne in Esslingen inszeniert. Ebenfalls neu sind: Werner Klockow (als Herbert). Er kommt ebenfalls vom Theater in Kiel, wo er langjähriges Ensemblemitglied war. Laura Mahrla und Milos Milovanovic aus Kiel und Hamburg spielen das junge Aussteigerpaar. Bewährt am Combinale sind für die Bühne Marcel Weinand und für die Kostüme Stephanie Viola Dalski mit dabei.
Premiere am 10. März 2023
Pressestimmen
Hanno Kabel in LN vom 12.3.2023
Tragikomödie im Kleingarten: Großer Applaus im Combinale
Erfolgreiche Uraufführung von „Narzissenweg 3“: Drei einsame Menschen treffen im Kleingarten aufeinander – und dann geht es ans Eingemachte.
Je schneller sich die Welt verändert, desto größer wird der Abstand zwischen den Jungen und den Alten. Was passiert, wenn dieser Abstand plötzlich aufgehoben wird? Das ist die Versuchsanordnung, die Ulli Haussmann für sein Theaterstück „Narzissenweg 3“ gewählt hat. Am Freitagabend wurde es im Theater Combinale uraufgeführt. Als Handlungsort hat Haussmann die deutsche Schrebergarten-Anlage gewählt, in der manche unwahrscheinliche Begegnung etwas wahrscheinlicher ist als anderswo. Zum Beispiel zwischen einem bitteren alten Mann und zwei jungen Leuten, die sich vor jeder drohenden Enttäuschung in die Hoffnungslosigkeit zurückgezogen haben. Joanna Nowinski hat das Stück mit sicherem Gespür für die schnell wechselnden Stimmungen inszeniert.
Das Bühnenbild (Marcel Weinland) zeigt einen kleinbürgerlichen Zufluchtsort. Darin lebt Herbert (Werner Klockow), dem außer seinen imaginären Gesprächen mit seiner verstorbenen Frau nicht viel geblieben ist. Es braucht eine äußere Erschütterung, um zu zeigen, was in ihm steckt: Das junge Pärchen Brinja (Jamila Boukhers) und Leon (Milos Milovanovic) vertreibt ihn, der seine Pacht nicht bezahlt hat, aus seiner Laube. Die erste Begegnung verläuft katastrophal. Doch als der Alte seine Niederlage eingesteht und sich versöhnlich zeigt, gewinnt er allmählich die Oberhand und zwingt die Jungen zur Konfrontation mit sich selbst.
Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen die Verbindung zu jeder Art von Gemeinschaft verloren haben, lernen mühsam, miteinander zu sprechen. Komischerweise ist es die Sprache von Karl May, dem größten Hallodri der deutschen Literaturgeschichte, die ihnen dabei hilft. Herbert ist nämlich ein großer Bewunderer von Winnetou und Old Shatterhand. Seine scheinbar abgeschmackten Cowboy-und-Indianer-Weisheiten stellen sich als gar nicht so lebensfern heraus.
Werner Klockow macht mit souveränem Spiel glaubwürdig, wie aus dem Menschenfeind Herbert peu à peu fast so etwas wie eine Vaterfigur wird. Jamila Boukhers gibt ihrer Figur Brinja das richtige Maß von kindlicher Verletzlichkeit, die durch kleine Risse in der harten Oberfläche dringt. Milos Milovanovics Leon ist ein ängstlicher, im Grunde seines Wesens verunsicherter Junge, der sich dem Erwachsenwerden verweigert. Die Kostüme (Stephanie Viola Dalski) setzen passende Akzente: hell gemusterte Socken für Leon, Doc-Martens-Stiefel für Brinja.
Ulli Haussmanns Stück reflektiert die Einsamkeit, ihre Ursachen und ihre Folgen, die Auswege und Sackgassen, auf kluge und witzige Weise, ohne darum viel Aufhebens zu machen. Etwas zu dick aufgetragen erscheint Leons Selbstinszenierung als Amokläufer und vor allem Brinjas vollkommen amoralische Reaktion darauf. Alles in allem aber ist dem Theater Combinale eine unterhaltsame, sehenswerte Tragikomödie gelungen, für die es großen Applaus gab.
Daniela Schindler in ultimo, April 2023
Im Mikrokosmos der Schrebergartenparzelle "Narzissenweg 3" erlebt das Publikum zwei Stunden theatralen Hochgenuss
Es ist eine wahre Freude dem kleinen Ensemble des Theater Combinale zuzusehen. Mal mit der nötigen Leichtigkeit, mal mit der nötigen Schwere agieren Werner Klockow als Herbert, Jamila Boukhers als Brinja und Miloš Milovanović als Leon. Mit viel Sensibilität für deren psychologische Tiefe verkörpern alle drei Darsteller*innen die Figuren: Herbert, der festhält an der Vergangenheit und plötzlich die Gegenwart mit voller Wucht vor den Latz geknallt bekommt; Brinja, die sich hinter einer hohen Mauer versteckt und dort voller Wut nur noch auf das Ende der Welt wartet; und Leon, dem es in der Kindheit zwar nicht an Geld, umso mehr aber an Zuneigung gefehlt hat und der nun nach Brinjas Aufmerksamkeit strebt.
Regisseurin Joanna Nowinski inszeniert den wundervollen Text von Ulli Haussmann auf den Punkt. Alles Komische und alles Tragische wird mit viel Bewusstsein für die unterschiedlichen Nuancen des Stücks in Nähe und Distanz, Ruhe und Spannung umgesetzt. Das detailreiche, hinreißend gestaltete Bühnenbild von Marcel Weinand bietet dafür den perfekten Ort.
Ein Besuch des Stückes ist Jung wie Alt unbedingt zu empfehlen.
ultimo, März 2023
Am 10.März hat im Theater Combinale das neue Stück „Narzissenweg 3“ von Ulli Haussmann Uraufführung. Wir hatten die Gelegenheit, mit dem Autor ein Gespräch zu führen.
Narzissenweg 3, was erzählt der Titel?
In einer Kleingartensiedlung wohnt Herbert, ein verschrobener alter Cowboy, in seiner Hütte am Narzissenweg. Dass er da dauerhaft lebt, ist nicht ganz legal, aber für ihn ist die Laube ein Rückzugsort, an dem er hofft, von niemandem mehr behelligt zu werden. Eine trügerische Hoffnung.
Was passiert?
Es kommt zu einer feindlichen Übernahme der Gartenhütte durch Brinja und Leon, einem jungen Pärchen, das sich vor der Welt der Erwachsenen retten will. Sie sind Kinder unserer Zeit. Dass die Welt brennt, ist ihnen durchaus bewusst, von der Aufgabe, sie zu retten, fühlen sie sich allerdings überfordert. Also fliehen sie in den Kleingarten von Herbert. Aber so leicht macht es ihnen der Alte nicht. Aber Herbert, so verschroben er auch ist, hat eine Eigenschaft, die Eltern von fast erwachsenen Kids oft abgeht (und da schließe ich mich durchaus ein): Herbert hört zu…
Wie bist du an die Figuren herangegangen?
Für die Entwicklung von Brinja und Leon habe ich Interviews mit jungen Leuten geführt, die mir sehr spannende Geschichten und überraschende Ein- und Ansichten zu erzählen hatten. Das war sehr inspirierend, und vor allem hat mich die Offenheit beeindruckt, die mir in diesen Gesprächen begegnet ist. Herbert ist nicht viel älter als ich, da musste ich nur meine eigenen Unzulänglichkeiten mit einer Portion Fantasie durchmischen, fertig war der alte Kauz
Komödie oder Drama?
Ich würde sagen, es ist ein Combinale-Stück. Es wird gut, warum sollten wir uns auf ein Genre festlegen?
Ihr habt neue Leute auf der Bühne…
Nicht nur auf der Bühne. Auch die Regie ist mit Joanna Nowinski jung besetzt. Sie hat 2021 am Schauspielhaus Kiel als Regisseurin debütiert und zuletzt an der Landesbühne in Esslingen inszeniert. Werner Klockow (Herbert) kommt ebenfalls vom Theater in Kiel, wo er Ensemblemitglied war, Jamila Boukhers und Milos Milovanovic spielen das junge Aussteigerpaar mit viel Energie. Ich bin davon überzeugt, dass wir da ein tolles Team mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten gefunden haben.
Hat das Stück eine spezielle Zielgruppe?
Wir wünschen uns viele junge Menschen in unserem Theater, aber auf jeden Fall auch deren Eltern und auch die Großeltern. Ach, und ganz wichtig: alle Karl May Fans. Was es damit auf sich hat, wird im Stück schnell klar. Also natürlich sollen alle erstmal kommen, reden können wir danach … und zuhören.