Nie wieder einsam
Auf Amtswegen ins Glück
Ein Ministerium für Einsamkeit, fünf subversive Beamte, eine Mission: Nie wieder einsam! Und nun das: Dr. Waltraud Timmermann-Schmöllk (Doppel-M, Doppel-N, Doppel-L), langjährige und verdiente Leiterin des Referat 736, Schrägstrich Einsamkeit, ist verzweifelt. Ihre Abteilung wird evaluiert, aufgrund allgemeiner Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt des laufenden Jahres. Und des kommenden sicherlich auch. Doch am allerschlimmsten ist: Das Ganze ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit! Da gibt es wirklich Wichtigeres zu tun, als darzulegen, ob, woran und wozu man gerade arbeitet. Aber das genau ist der Frau Doktor und ihren Mitarbeiter:innen fatalerweise auch nie so wirklich klar geworden: Arbeitet man nun für oder gegen die Einsamkeit?
Die Vermutungen reichen von »gegen« über »an«, »um«, »für« bis hin zu »irgendwas mit Einsamkeit«. Aha! Lässt sich überhaupt behördlich umgehen mit einem Gefühl, das uns wahrscheinlich alle einmal überkommt? In solchen Fällen hilft nur ein Meeting. Man nähert sich dem Problem mit Flipchart, Konferenzkeksen und Moderationsköfferchen zunächst in einer paradoxen Intervention, indem man die positiven Seiten des Alleinseins zelebriert, denn »la solitude, ça n‘existe pas«. Andererseits steigt die (gefühlte) Einsamkeitsbelastung der Menschen von Jahr zu Jahr. In Referat 736 rauchen die Köpfe! Kommen die Mitarbeiter:innen der ministeriellen Vorgabe nach oder droht behördlicher Ungehorsam? Kann man nicht endlich mal seine Ruhe haben … Stille Nacht sozusagen?
»Nie wieder einsam« zeigt einen empathisch-humorvollen und schrägen Blick auf ein gar nicht so schräges Thema, das uns alle betrifft. Freuen Sie sich mit uns auf ein neues, beglückendes und einzigartiges Einsamkeitserleben bei Punsch (oder Bowle?), nicht nur, aber doch besonders zur Weihnachtszeit!
Das Produktionsteam "Nie wieder einsam" bedankt sich bei der Possehl-Stiftung für die großzügige Förderung.
Dezember 2024
Pressestimmen
Sabine Spatzek in den LN vom 25.11.2024
Schottentanz in der Amtsstube
Was für eine Verheißung: „Nie wieder einsam“. So heißt das neue Stück im Theater Combinale, Untertitel „Auf Amtswegen ins Glück“. Das Premierenpublikum war begeistert von der schrägen Komödie mit Weihnachtsflair, die mit viel ironischer Verfremdung einem sehr realen Gefühl und gesellschaftlichen Phänomen nachspürt.
Auf der Bühne stehen fünf Schreibtische, angeordnet in U-Form. Hier arbeitet das Referat 736 / Einsamkeit, bestehend aus einer bunt zusammengewürfelten Bürotruppe: Neben Referatsleiterin Frau Dr. Timmermann-Schmöllk („Doppel M, Doppel N, Doppel L“, gespielt von Sigrid Dettlof) ist da ihr überdrehter Stellvertreter Banse (Knut Peters) sowie Fachreferent Zinsler, der ein Faible für Ameisen hat (Ulli Haussmann), außerdem die passiv aggressive Referentin Päffgen (Eva Engelbach) und Anouk, genderfluide Praktikant*in (Dominik Bliefert) und als rangniedrigstes Teammitglied der Punchingball für die anderen.
Mitten in die gemütliche Routine des Arbeitsbeginns (Bleistifte ordnen, Kaffee trinken, Anrufbeantworter abhören) platzt die Chefin mit einer Bombe: Die Ministerin fordert von der Abteilung anlässlich der Haushaltsplanungen eine Evaluation der eigenen Tätigkeit. Und das auch noch bis zum 31. Dezember! Nach erstem Schock und spontanen Abwehrreaktionen („Erbitte Verlängerung!“) bleibt den Amtsmitarbeitenden nichts weiter übrig, als – ein Meeting abzuhalten. Welche Ziele, Erfolge, Leuchtturmprojekte hat man vorzuweisen? Was für Daten, Zahlen, Fakten, welche sonstigen Erkenntnisse zur Einsamkeit liegen vor?
Soziologen, Psychologen, Dichter treibt das Thema natürlich seit jeher um – sogar im beliebtesten deutschen Weihnachtslied „Stille Nacht“ ist von einer einsamen Wacht die Rede. Sicher weniger bekannt: Die deutsche Bundesregierung, federführend das Bundesfamilienministerium, hat (kein Scherz) seit 2022 eine „Strategie gegen Einsamkeit“ erarbeitet und im Mai 2024 ein „Einsamkeitsbarometer“ präsentiert. Auf diese Veröffentlichungen wird im Combinale-Stück, das vom Ensemble unter der Regie von Marcel Weinand gemeinsam entwickelt wurde, vor allem im ersten Teil viel Bezug genommen. Das ist interessant, manchmal wirkt der Text aber etwas sperrig trotz großer Vielfalt in den Darbietungsformen: Es wird gesungen und rhythmisch rezitiert, es gibt Rollenspiele und Fragebogen und einen schottischen Rundtanz (Choreografie: Shiao Ing Oei) – ein Höhepunkt des Abends. Komödiantisch geht es nach der Pause noch einmal in die Vollen, als die festliche Deko endlich hängt und man sich trotz des ministeriell verursachten Zeitdrucks zu einer Weihnachtsfeier entschließt – mit den saisonüblichen Heißgetränken und entsprechenden Nebenwirkungen.
Was „Nie wieder einsam“ unbedingt sehenswert macht, sind die großartigen schauspielerischen Leistungen. Wenn Sigrid Dettlof sich als Vorgesetzte ungeschickt um „authentische soziale Kontakte“ bemüht, Ulli Haussmann als verklemmter Bürohengst bei der Erwähnung von Sex die Fassung verliert, Eva Engelbach das Projekt „Wohnen in Windturbinen“ vorstellt und Knut Peters sich als Wegweiser von „Einsamkeit als bereichernde Erfahrung“ produziert, sind dem Combinale-Ensemble die Lacher sicher. Zu Dominik Bliefert als Praktikant*in nur ein Wort: „Mööp“. Was das heißt? Das lässt sich noch bis zum 31. Dezember im Combinale ergründen.