• Mit bitterer Leichtigkeit und tiefsitzendem schwarzen Humor
    Angerichtet
  • Angerichtet

    Nach dem Roman „Angerichtet“ von Herman Koch

    Ein edles Restaurant. Zwei Brüder treffen sich mit ihren Frauen zum Abendessen. Der eine, Serge Lohman, steht im Wahlkampf und hat gute Chancen, Ministerpräsident zu werden. Der andere, Paul, war bis vor ein paar Jahren Lehrer und musste wegen psychischer Probleme den Dienst quittieren. Die beiden können sich nicht leiden, aber sie haben mit ihren Frauen Wichtiges zu besprechen. Man parliert zunächst  über Filme und Urlaubspläne und vermeidet das eigentliche Thema, dann stellt sich heraus, es geht um ihre Söhne Michel und Rick, etwas Schlimmes ist passiert.
    Wer weiß etwas? Was wissen die anderen? Wie schätzen sie die Lage ein?
    Paul Lohmann, der Vater von Michel, will das Beste für seinen Sohn. Und ist bereit dafür weit zu gehen, sehr weit. Schließlich wird darüber beraten, wie man sich und die Söhne am besten aus der Affäre ziehen könnte. Aber die Schlinge zieht sich unerbittlich zu….
    Koch hinterfragt in seinem Roman "Angerichtet", den das Combinale für die Bühne eingerichtet hat,  mit bitterer Leichtigkeit und tiefsitzendem schwarzen Humor die gesellschaftlichen Moralvorstellungen der oberen Mittelschicht.
    »›Angerichtet‹ entwickelt sich zu einem atemberaubenden Thriller, in dem niemand unschuldig ist.« (Corriere della Sera)


    mit: Ulli Haussmann, Katreen Hardt, Oliver Hermann, Mignon Remé, Stefanie Büttner, Chris Dippert
    Bühnenfassung: Ulli Haussmann, Knut Winkmann
    Regie: Erik Schäffler
    Ausstattung: Sonja Zander
    Licht: Michael Eichholz
    Technik: Tobias Pupp
    Produktionsleitung: Sigrid Dettlof
    Tondesign: Johannes Semm
    Chorleitung: Uschi Krosch  

    Der Roman „Angerichtet“ von Herman Koch, übersetzt aus dem Niederländischen von Heike Baryga, ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen.Wir danken der von Keller-Stiftung für die freundliche Unterstützung.



    Pressestimmen

    Je später der Abend, desto böser die Geschichte

     Lübecker Nachrichten, Liliane Jolitz

    Lübeck - Der warme Ziegenkäse an Walnusskernen und Rucola ist nicht nach Paul Lohmans Geschmack. Paul (Oliver Hermann), ein gescheiterter Lehrer, hatte es ja geahnt: „Da erwartet mich garantiert etwas mit Ziege." Nun sitzt er mit Ehefrau Claire im Edelrestaurant bei einer Art Familienessen, zu dem sein Bruder eingeladen hat. Dem alerten Serge Lohman, verkörpert von Ulli Haussmann, war die Wahl zum Ministerpräsidenten schon sicher. Nun aber ist seine politische Karriere bedroht: Rick und Michel, die beiden 15-jährigen Söhne der Ehepaare Lohman, haben eine Obdachlose umgebracht. Bei dem Essen will Serge beraten, wie es weitergeht.
    Ein schlichter Tisch, vier weiße Stühle mit überhohen Rückenlehnen, drei transparente Wände auf der Rückseite: Die Bühne ist vornehm-sparsam ausgestattet. Die Frauen, Babette (Katreen Hardt) und Claire (Mignon Reme) haben sich schön gemacht. Aus der Küche ist Geklapper zu hören. Die Stimmung am Tisch ist verkrampft. Man spricht über Tarantinos neuesten Film, über Urlaub, über Wein. Das Publikum kann sich in einer Komödie wähnen, denn auf der Bühne werden Rituale einer konsumorientierten und zahlungskräftigen Schicht verspottet. Zum Beispiel wenn die Kellnerin (Stefanie Büttner) ihren Gästen einen Aperitif. serviert („Der Aperitif des Hauses ist heute ein Champagner rose), der keineswegs aufs Haus geht, sondern zehn Euro pro Glas kostet, wie Paul hämisch bemerkt. Aber je später der Abend, desto böser die Geschichte. Das Familienessen wird zum Familiendrama. Die Sache eskaliert, als Serge ankündigt, er werde am nächsten Tag in einer Pressekonferenz seinen Rücktritt bekanntgeben. Denn das wollen die drei anderen um fast jeden Preis verhindern.
    Ulli Haussmann und Knut Winkmann, die den Bestseller von Herman Koch für die Bühne bearbeitet haben, ist das Kunststück gelungen, die Komplexität zu retten, ohne es kompliziert werden zu lassen. Die raffiniert ausgetüftelten Geschichte hat immer wieder überraschende Wendungen. Auch bei den Charakteren bleibt ein Rätsel, wen man vor sich hat. Eine Herausforderung an die Darsteller, mit Bravour gemeistert. Ulli Haussmann geht ganz in der Rolle des ehrgeizigen Politikers auf, Katreen Hardt in der seiner etwas exaltierten Ehefrau, die mehr an seiner Karriere hängt als er. Teuflisch gut: Mignon Reme als Claire und Oliver Hermann als Paul. Chris Dippert tritt als ihr Sohn Michel auf.
    Auch wenn „Angerichtet" keine Sozialtragödie, sondern ein Thriller ist: Wie im richtigen Leben weiß man nie, woran man ist. Das Lachen vergeht einem immer mehr. Dafür entwickelt das Stück, das Erik Schäffler inszeniert hat, andere Qualitäten und manch (fiese) Überraschung. Ein Abend voller Kurzweil, Witz und Spannung.


    Mit Hingabe gespielte Marotten

    Hamburger Abendblatt

    Die Inszenierungen von "Angerichtet" und "Unter dem Milchwald" bei den Privattheatertagen überzeugen
    Hamburg. Bislang gibt es qualitativ höchst Erfreuliches zu berichten von den diesjährigen Privattheatertagen. In "Angerichtet" nach dem Roman von Herman Koch treffen sich zwei Paare, um ungeheuerliches Fehlverhalten ihrer Brut zu diskutieren. Doch bis der Zuschauer in den Kammerspielen die Hintergründe erfährt, quälen sich die vier auf Stühlen, deren Lehnen an Gefängnisgitter erinnern, durch ein Essen im Edellokal, bei dem die zum Flirten aufgelegte Bedienung sparsam auf Tellern Arrangiertes blumig anpreist.
    Das führt dazu, dass "Angerichtet", eine Inszenierung vom Theater Combinale Lübeck in der Regie von Erik Schäffler, wie eine Ehe-Komödie beginnt, dies erhöht aber nur die Fallhöhe zu den tragischen Ereignissen. Mit keinem dieser Paare möchte man tauschen. Der gescheiterte Lehrer Paul (Oliver Hermann) entpuppt sich als Choleriker, seine Frau Claire (Mignon Remé) ist eine eisige Strategin, Paul steckt bis zur Halskrause voll Hass auf seinen Bruder, den selbstgefälligen Politkarrieristen Serge (Ulli Haussmann), dessen Frau Babette (Katreen Hardt) eher schmückendes Beiwerk in seinem Leben darstellt.
    Erst allmählich entfaltet das Stück sein boshaftes Potenzial. Die pubertierenden Söhne haben eine obdachlose Frau vor einem Geldautomaten angezündet – mit Todesfolge. Die Vertuschungsgelüste der Paare offenbaren Abgründe, die die Tat an Perfidie mühelos überbieten. Mit seinen ausgezeichneten Darstellern, nur Katreen Hardt weist seltsame Artikulationsschwächen auf, setzt Schäffler ganz auf den bewusst politisch unkorrekten Tenor des Stü-ckes. Gekonnt inszeniert er eine beklemmende Versuchsanordnung, in der die Akteure wie Gefangene wirken.


    Wer braucht schon einen „Tatort“, wenn man  im Combinale einen raffiniert angerichtet „Krimi“ zwischen zwei Upper-Class-Ehepaaren verfolgen kann.

    Am 6.9. ging die Romanbearbeitung des Erfolgsromans „Angerichtet“ von Hermann Koch im Combinale an den Start. Schauplatz der turbulenten, von Regisseur Erik Schäffler klug mittels Rückblenden, Toneinspielungen und Lichtstimmungen unterbrochenen Theater- Aussprache ist ein moderner, auf „cool“ gestylter Gourmettempel (kongeniales Bühnenbild von Sonja Zander), in dem Paul Lohmann und Ehefrau Claire sich mit Pauls Bruder Serge und dessen Frau Babette zu einem Vier-Gänge-Menü verabredet haben. Serge kandidiert für den Posten des Ministerpräsidenten und sein Bruder Paul ist als ehemaliger Studienrat in Unehren aus dem Schuldienst entlassen worden. Die beiden können sich nicht ausstehen, aber sie müssen reden, es geht um die Zukunft ihrer halbwüchsigen Söhne Michel, Rick und Beau. Während des Essens wird nach und nach Entsetzliches enthüllt.(...) Autor Herman Koch hat in seinem Roman mit Raffinesse und Sprachwitz – und Haussmann und Winkmann jetzt mit ihrer Dramatisierung des Familiendramas – viel „angerichtet“: Rücksichtslos werden dabei die vier Protagonisten demaskiert und nach und nach entblättert.
    Mit beeindruckender Sicherheit führt Schäffler, Ensemble-Mitglied des Jungen Schauspielhauses Hamburg sein virtuoses Schauspielersextett durch diesen Familienthriller, der zugleich ein dramatisches Sittengemälde der Gegenwart ist. Großartig die weiblichen Protagonisten Mignon Reme und Katreen Hardt, die alle Facetten von der Charity-Lady bis zur diabolischen Lady Macbeth beherrschen, ebenso beeindruckend Haussmann und Hermann als ungleiches Brüderpaar mit geradezu biblisch - desaströsen Dimensionen. Wunderbar komisch Stefanie Büttner als Kellnerin, die mit ihrer hilflosen Unbedarftheit für die nötige Fallhöhe des sich anbahnenden Dramas sorgt und nicht zuletzt auch großes Lob für den jungen Chris Dippert, Mitglied des Jugendclubs im Theater Lübeck, der den Sohn der Lohman’s mit erschreckender Authentizität spielt.
    Es darf auch gelacht werden in dieser fast 2-stündigen Inszenierung, aber gegen Ende spitzt sich die Handlung unerbittlich zu und lässt den Zuschauer nicht nur begeistert sondern auch nachdenklich zurück – und das ist gut so!
    Das Publikum feierte die Premiere mit minutenlangem Beifall und im Foyer wurde noch lange weiter diskutiert – so muss gutes Theater sein!


    Lübeckische Blätter, Dr. Rudolf Höppner

    Der Roman „Angerichtet“ (Het Diner) des Holländers Herman Koch ist die Vorlage für ein Theaterstück, das Ulli Hausmann und Knut Winkmann für das Combinale Theater schrieben. Es spielt in der Gegenwart: Zwei Jugendliche, die Cousins Rick und Michel Lohmann, haben eine Obdachlose getötet. Ihre Eltern treffen sich zum Essen in einem Nobelrestaurant, denn  „sie müssen über etwas reden“.
    Damit beginnt das Stück. Nach einer amüsanten Ironisierung des affektierten Service-Gehabes wird es spannend. Häppchenweise stellt sich zwischen Aperitif und Dessert heraus, was geschehen ist. Diskutiert wird dabei, wie die Familie nachteilige Konsequenzen vermeiden kann. Serge Lohman, erfolgreicher Landespolitiker, muss sein Image wahren, sein Bruder Paul will Sohn Michel vor dem Knast retten. Ein Unrechtsbewusstsein stellt sich nicht ein, dafür wird das Opfer verunglimpft, die Schuld der Täter relativiert. Laufend neue Ergebnisse steigern die Spannung, verstärkt durch die unterschiedlichen Reaktionen der Eltern. Das Vertuschen gelingt schließlich, zumindest scheinbar und mithilfe einer weiteren Untat. Die Täter rechtfertigen sich mit ihrer  Schuldzuweisung gegen die Opfer. Ob sie das durchhalten, bleibt offen.
    Erik Schäffler, der Regisseur, verzichtet auf äußerliche Gags, inszeniert von der Aussage des Textes her, bremst die Aktion in den epischen Passagen, wenn eine der Personen das Publikum direkt anspricht.  Sonja Zander reduziert ihre Ausstattung auf einen gedeckten Tisch, verzichtet auf alles, was ablenken könnte. Die Personen des Stücks sind differenzierte Charaktere, die zudem in sich mehrschichtig angelegt sind. Ulli Haussmann spielt den Politiker Serge Lohmann als herablassenden Blender und geschickten Taktierer. Und dann zeigt er sein wahres Gesicht, wenn er Beau verflucht, den afrikanischen Jungen, den er zur Verbesserung seines Image adoptiert hatte. Katreen Hardt als seine Frau Babette tritt zunächst auf als‚ “Frau ihres Mannes“, als Dekoration des Promis, der ohne den Einfluss ihrer Familie das nicht geworden wäre, bis sie emotional ausrastet,  weil sie feststellt, dass er sie bewusst unwissend ließ. Mignon Remè  als Claire ist  ihrem Mann Paul intellektuell überlegen und kontrolliert ihn. Anders zeigt sie sich, wenn sie ihren Schwager anschmust, damit er  auf seinen taktischen Rücktritt verzichtet. Sie bestimmt das Handeln in der Schlussphase. Oliver Hermann als Paul Lohmann ist zu Anfang der aggressiv witzige Realist, der die überzogene Servilität des Sternerestaurants ins Lächerliche zieht, dann zeigt er, dass er seine faschistoide Grundeinstellung behalten hat, die ihn seine Stellung als Lehrer kostete. Stefanie Büttner ist die Kellnerin, an der Paul seinen Frust auslässt. Sie bleibt pflichtmäßig korrekt und lässt gleichzeitig ihre Verachtung spüren. Sie weiß, als Mitwisserin kommt ihre Chance. In der Rolle des Michel Lohman bietet Chris Dippert beeindruckend einen coolen jungen Mann, egozentrisch und ohne Ansatz von Reue, so wie ihn niemand zum Sohn haben möchte.                                                                                                                       „Angerichtet“: eine inhaltlich aktuelle, spannende und anspruchsvolle  Aufführung. Als Rahmen sang das Ensemble den Choral „O komm, du Geist der Wahrheit“, dessen ironische Bedeutung im Verlauf des Stücks immer deutlicher wurde: Kein Missverständnis möglich. Intensiver Beifall bei der ausverkauften Premiere.



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